Halbgares aus Kiel

gepostet von Johan am

Die regierungsschleppenden Koalitionen in Kiel haben sich zum Thema Direktwahl geeinigt, hatten doch beide Parteitage beschlossen, dass man sich dazu Gedanken machen soll.

Gestern wurde dann von Ralf Stegner und Johann Wadephul das Beratungsergebnis vorgestellt. Die Direktwahl der Landräte wird abgeschafft. Zu recht.

Allerdings wäre das kein Beschluss aus Kiel, wenn er nicht völlig inkonsequent und nur halb durchdacht umgesetzt würde.

1. Dass man mit der Direktwahl der Landräte nicht die Direktwahl der Bürgermeister mit abgeschafft hast ist a) unverständlich, da sie von der theoretischen Stellung her gleich zu behandeln sind und b) demokratietheroretisch immer noch ein / der einzige Bruch im System.

2. Die vorgeschlagene Wiedereinführung der Kreiausschüsse ist Quatsch.

Die gegenwärtig umfangreiche Aufgabenausstattung des Landrats ist neu zu
gewichten, um die Balance zwischen haupt- und ehrenamtlicher Stellung zu erhalten.
Hierfür soll ein vom Kreistag gewählter und proportional zu dessen Sitzverteilung
besetzter �Verwaltungsausschuss� � ähnlich dem �alten� Kreisausschuss � eingeführt
werden.

Zwar kenne ich die alte Magistratsverfassung nichtmehr. Aber das, was ich von der Struktur kenne/gehört habe reicht mir total. Die Schaffung einer zwei-Klassen-Politik. Super. Ansonsten führt eine enge Einbindung der Kommunalpolitik in die Ausführung ihrer eigenen Anordnungen / Beschlüsse nur zu mehr Wichtigtuerei, aber nicht zu mehr Effizienz im Verwaltungshandeln. Auch mit einem nicht vom Bürger gewählten Landrat oder Bürgermeister lässt sich ohne selbst in die Steuerung einzugreifen gut arbeiten, wenn man vernünftig miteinander umgeht.

Diese ganze Geschichte bringt mich gerade schon wieder auf 180. Allerdings sind beide Fehler in den zu beschließenden Gesetzen aufgrund der feigen und völlig dämlichen Argumentation auf Basis des einzig ungültigen Argumentes zu erklären: Die Wahlbeteiligung. Es gibt so viele schöne Argumente aus (Demokratie-)theoretischer, praktischer und theopraktischer Sicht für die Abschaffung der Direktwahl. Und die Damen und Herren in Kiel suchen sich das offensichtlichste aber ungültige.

Es ist Zeit schreiend im Kreis zu laufen.

Und um nicht nur zu pöbeln sondern auch inhaltliches Futter zu liefern gibt es hier ein Artikel aus dem Blickwinkel der JUNGEN UNION Stormarn, den Malte und ich Anfang 2007 geschrieben haben.

Direktwahlen abschaffen, Ehrenamt stärken!

Die Direktwahl von hauptamtlichen Bürgermeistern und Landräten gehört unserer Meinung nach abgeschafft. Die Gründe für diese Position lassen sich im Wesentlichen in zwei Gruppen einteilen. Zum einen sind es die Gründe aus demokratie- theoretischer Betrachtung. Hierbei wollen wir darlegen, warum die Direktwahl der Bürgermeister mit unserer repräsentativen Demokrate nur sehr schwer vereinbar ist. Zum anderen die Politiktheoretischen, eher parteitaktischen Gründe, die für uns nicht so schwer wiegen.

Gleich zu Anfang dieses Artikels möchten wir darauf hinweisen, was für uns keine Argumente gegen die Direktwahl sind. Es ist völlig unerheblich, wie hoch die Wahlbeteiligung bei den Wahlen ist. Es ist genauso unerheblich wie viele der Wahlen seit 1998 wir gewonnen oder verloren haben. Selbst wenn jede Wahl 100% Wahlbeteiligung hätte und jeder Kandidat den die CDU aufstellt hätte, souverän gewählt würde, wir wären immer noch aus den folgenden Gründen dagegen. Genauso egal ist im Übrigen auch eine eventuelle Kreisgebiets- oder Gemeindegebietsreform, ob nun von �Unten� oder
von �Oben� für unsere Position.

1. demokratietheoretische Gründe

Die Direktwahl der Bürgermeister und Landräte muss abgeschafft werden, da sie den Bruch mit einem sonst konsequenten, repräsentativen, demokratischen System darstellt. In der Bundesrepublik wurde extra von einer Verfassung Abstand genommen, die Tür und Tor für Populismus und Volksverhetzung öffnet und nur in einigen wenigen, sehr beschränkten Elementen eine direkte Beteiligung der Bürger vorgesehen. Selbst die Wahl von Abgeordneten erfolgt nicht allein mit einer Personenwahl sondern mit einer Mischung aus Personen- und Listenwahl. Wir halten es für falsch von diesem bewährten Weg abzuweichen.

Durch die Direktwahl der Bürgermeister wird bei den Bürgern der Eindruck erweckt, dass das Amt des Bürgermeisters ein politisches Amt sei. Dem ist aber mitnichten so. Der Bürgermeister ist Chef der Verwaltung, mehr nicht. Wenn man möchte, dass das Amt des Bürgermeister ein politisches ist, muss man auch so konsequent sein, das politische Ehrenamt im Rahmen der Selbstverwaltung abzuschaffen. Andernfalls ist die Direktwahl der Bürgermeister und Landräte eine bewusste Täuschung des Bürgers, der den Eindruck erhält, dass er durch seine Stimme bei der Direktwahl sein Lebensumfeld gestalten könnte. Der Bürgermeister hat aber keine legitimierten Machtbefugnisse
in politischen Fragen. Hierfür ist die kommunale Selbstverwaltung vorgesehen.

Durch die Direktwahl kommt es zu einer dauerhaften Konkurrenz von Ehrenamt und Hauptamt. Der Bürgermeister steht durch die Direktwahl unter dem Druck, wenn er denn wiedergewählt werden möchte, politisch zu agieren. Das behindert schlechtestenfalls die politisch- gestaltende Arbeit vor Ort komplett.

2. politiktheoretische Gründe:

Häufig ist es schwierig geeignete Kandidaten für das Bürgermeisteramt zu finden. Die Direktwahl macht das Amt für potenziell gute Bürgermeister häufig uninteressant. Wer wird seinen (gutbezahlten) Job aufgeben, mehrere Monate einen aktiven Wahlkampf machen, dessen Ausgang ungewiss ist?

Hinzu kommt, dass beim Aufstellen des Kandidaten häufig eine weitere Negativselektion stattfindet. Ein Beispiel hierzu: Bei der letzten Wahl in Ahrensburg ging es darum dem Bürger eine Alternative zur SPD � Bürgermeisterin, die in Teilen eine höchst fragwürdige Politik gemacht hat, aber bei der Bevölkerung sehr beliebt ist, zu bieten. Nach mehreren großen Ausschreibungen, Anfragen bei der Adenauer � Stiftung, sowie Umschau in der Umgebung meldeten sich insgesamt 3 (!) Interessenten bei der CDU. Einer musste sofort aussortiert werden. Die beiden Anderen wurden zur Vorstellung eingeladen. Einer der Bewerber war hochgradig erfahren in der Verwaltung, hatte hohe Fachkompetenz, war aber ein eher stiller Typ und kein Wahlkämpfer. Der andere war Journalist und Wahlkämpfer, hatte aber eigentlich noch nie eine Verwaltung von innen gesehen. Die Frage war nachher: �Nehmen wir den Kandidaten, der einen guten Bürgermeister abgibt, mit dem unsere Chancen die Wahl zu gewinnen stark sinken, oder nehmen wir den Kandidaten, mit dem wir die Wahl gewinnen können, der aber den schlechteren Bürgermeister abgibt?�

Die Verantwortung dem Kandidaten gegenüber verpflichtet die Partei zu einem außerordentlich aktiven (und sehr teueren) Wahlkampf. Allerdings werden die meisten Wahlkämpfe ohne CDU-Logo geführt sondern nur unter dem Namen des Kandidaten, damit bestenfalls der Eindruck entsteht, er sei überparteilich, was seine Chancen in der Regel erhöht. Die allgemeine Politikerverdrossenheit führt ja dazu, dass die Bevölkerung eher dazu neigt einen Kandidaten zu unterstützen, von dem sie den Eindruck hat, dass er unparteiisch, beziehungsweise keiner Partei verantwortlich sei.

Diese Argumente müssen einen zu dem Schluss führen, dass die Entscheidung von 1997 falsch ist und wir die Direktwahl abschaffen müssen. Ein Abschaffen der Direktwahl ermöglicht im übrigen natürlich auch, dass wenn ein Fehler in der Auswahl passiert ist, oder der Bürgermeister sich als Chef der Verwaltung grobe Fehler zu schulden kommen lassen hat, ihn leichter wieder zu entfernen. Das führt auch dazu, dass der Bürgermeister sich stärker gegenüber der kommunalen Selbstverwaltung rechtfertigen muss und auf sie in der alltäglichen Arbeit wieder genauso angewiesen ist, wie die Selbstverwaltung auf die Unterstützung durch einen guten Bürgermeister angewiesen ist.

In diesem Sinne: Einmal getroffene Entscheidungen hindern nicht am Nachdenken!

Heute würde ich, wie das immer so ist einige Sätze anders formulieren, inhaltlich bleibt der Artikel aber richtig. Der Vollständigkeit und der Fairness halber sei erwähnt, dass dies ein Artikel aus der Reihe zwei Meinungen ein Thema war. Rasmus Vöge, Landesvorsitzender der JU, hat damals eine Gegenposition im Blickwinkel bezogen. Den Blickwinkel 2007/01 gibt�s auf www.ju-stormarn.de unter Downloads > Blickwinkel > 2007 > 01/2007. Auf den Seiten 14 und 15 gibt es den Artikel von Rasmus und auch den von Stecki und mir.

Kommentare

  1. Stella

    Langsam und bedacht,Luft in den Bauch tanken!
    Abstand nehmen, und die ganze Sache dann noch einmal neu betrachten!

    Wenn es auch völlig bescheuert klingt, so kann man doch jeder Situation etwas gutes
    abverlangen! Ich z.B.freue mich jeden Tag darüber das ich Krücken habe, und sie nicht gebrauchen muß!
    HerzLich…)T(…

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